Gibt es bald keine digitalen Studienunterlagen mehr

Gibt es bald keine digitalen Studienunterlagen mehr
Vielleicht kennen einige Studenten ja noch die Zeiten, in denen die Unterlagen für das nächste Seminar oder die Skripte der Vorlesung in großen Regalen lagen und mühsam herausgesucht und abkopiert werden mussten. Wartezeiten auf den Kommilitonen, der vor einem am Kopierer steht, inklusive. Dies könnte für viele bald wieder Realität werden, wenn sich die VG Wort mit ihren Forderungen an die deutschen Hochschulen durchsetzen kann.

Was ist die VG Wort?


Die Verwertungsgesellschaft Wort ist ein im Februar 1958 gegründeter und rechtsfähiger Verein, in dem sich Autoren und Verlage zur gemeinsamen Verwertung ihrer Urheberrechte zusammengeschlossen haben. Im Grunde also so etwas wie die GEMA, nur für Texte statt Musik.

Allgemein sind solche Verwertungsgesellschaften dazu da, für die Werke ihrer Mitglieder Geld, sogenannte Tantiemen, einzutreiben und damit einen Rechtsanspruch auf finanzielle Beteiligung der Autoren an der Verwertung ihrer Werken durchzusetzen. Prinzipiell keine schlechte Sache.

Was verlangt die VG Wort?


Nun war es, was die Verwertung wissenschaftlicher Publikationen im Rahmen der Lehre an den Hochschulen angeht, bisher so, dass die Professoren einmal im Jahr einen Pauschalbetrag an die VG Wort abgeführt haben und dafür beliebig viel Studienliteratur für die Studenten online stellen konnten.

Jetzt will die VG Wort allerdings, zur Stärkung der Position der Autoren, durchsetzen, dass für jedes Werk, dass ein Professor online stellt, eine Abgabe geleistet werden soll. Das heißt jedes Dokument muss einzeln vom Professor geprüft, angemeldet und genehmigt werden, bevor es online gestellt werden kann. Und das jedes Jahr aufs Neue, während viele Professoren, durch diverse Einsparungen, bereits heute schon andere Mehrarbeit leisten müssen.

Wie reagieren die Hochschulen darauf?


Im Wintersemester 2014/15 hat die Universität Osnabrück diese neuen Regelungen einmal testweise eingeführt. Die Ergebnisse wertet Claudia Riemer von der Universität Bielefeld folgendermaßen aus:

"Die Lehrenden hatten einen erheblichen Aufwand, die Texte erst mal zu melden und einzustellen. Es musste geprüft werden, da unterliegt jetzt dieser Text dem Paragrafen oder nicht, gibt es möglicherweise Verlagslizenzen, die genutzt werden müssen und so weiter. Und das hatte vom Ergebnis erst mal sehr viel Kritik an dem ganzen Verfahren und vom Ergebnis her, dass viel viel weniger Material zur Verfügung gestellt worden ist."

Rainer Just von der VG Wort sind diese Ergebnisse bekannt. Er bewertet die Sachlage allerdings anders und sieht das Problem vor allem bei den Universitäten:

"Das heißt ja, dass da noch überhaupt keine Routine vorhanden ist, oder keine Lernkurve zum Tragen kam, weil das wurde zum ersten Mal gemacht. Das ist wie bei jeder Tätigkeit, die man zum ersten Mal macht, dass das dann mit der Zeit immer schneller irgendwo geht, weil dann gewisse Routinen da sind."

Jedoch haben Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Thüringen bereits mitgeteilt, dass sie den neuen Bedingungen nicht zustimmen werden. Eine Alternative will die VG Wort dennoch nicht anbieten. Sie vertraut darauf, dass bei den Länder mit der Zeit "noch etwas mehr Realitätsbezug" einkehren wird.

Was ändert sich dadurch für dich?


Ob uns in den nächsten Jahren ein langwieriger Rechtsstreit zwischen den Ländern und der VG Wort, wie bis vor kurzem zwischen YouTube und der GEMA, ins Haus steht, ist noch nicht absehbar. Auf jeden Fall solltest du aber damit rechnen, dass Professoren künftig Probleme beim Einstellen von Studienunterlagen in die jeweiligen Online-Plattformen der Universitäten kriegen könnten, wenn die laufenden Verträge mit der VG Wort ab dem nächsten Jahr nicht mehr zu den bisherigen Bedingungen verlängert werden.

Ein Weniger an bequem erreichbaren digitalen Studienunterlagen ist daher wohl unvermeidlich. Wenn du Glück hast, kann dir dann vielleicht noch dein Fachschaftsrat mit Unterlagen aushelfen. Ansonsten findest du jederzeit eine große Auswahl an, von Studenten zur Verfügung gestellten, Studienunterlangen in unserem Uniturm.

Tipp: Wie du Uniturm.de effektiv nutzt, erklären wir im Magazin.


Autor: Johannes Rausch
Bildquelle: Vielen Dank an John-Mark Kuznietsov für das Bild (© John-Mark Kuznietsov / pexels.com).
Zitatquellen: Deutschlandfunk, Campus & Karriere "Schluss mit digitalen Seminarunterlagen?" vom 27.10.2016

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