Studienmöglichkeiten für Flüchtlinge in Deutschland

Studienmöglichkeiten für Flüchtlinge in Deutschland
Stell dir vor, du hast dein Abitur gemacht und bist mittlerweile Student an der Hochschule und plötzlich ändert sich die politische Lage in deinem Land. Du bist gezwungen zu fliehen. Angekommen in der neuen fremden Heimat, hast du nichts. Sämtliche Zeugnisse und Bescheinigungen hast du in der Eile zurückgelassen, der Sprache des neuen Landes bist du nicht mächtig.

Wie muss man sich fühlen, wenn man im Heimatland versucht hat eine Zukunft aufbauen und etwas aus sich zu machen und nun wieder am Anfang steht, bei null?

Glücklicherweise beginnen die Bundesländer langsam das Potential, das in den Flüchtlingen steckt zu erkennen und versuchen nach und nach Chancen für sie einzuräumen. An vielen Hochschulen engagieren sich Studentinnen und Professoren, indem sie Sprachkurse anbieten, in Tandem-Gruppen die deutsche Sprache vermitteln oder einfach indem sie Flüchtlinge bei Behördengängen unterstützen.

Häufig werden auch direkt Intensiv-Sprachkurse kostenlos angeboten. Diese zielen darauf ab, dass Flüchtlinge innerhalb eines Jahres ausreichend Sprachkenntnisse erlangen, um zu deutschsprachigen Studiengängen zugelassen zu werden. Die Nachfrage für solche Crash-Deutsch-Kurse ist immens.

Unterschiede bei den Hochschulen


Doch leider reichen einfache Kenntnisse der deutschen Sprache nicht immer aus. Die Zulassungsvoraussetzungen an deutschen Hochschulen sind äußerst unterschiedlich. Problematisch ist grundsätzlich der Status des Asylverfahrens.

• Insbesondere Berlin knüpft bisher die Zulassungserlaubnis an das Aufenthaltsrecht der studieninteressierten Flüchtlinge. Dementsprechend ist eine Studienaufnahme bei einem unklaren Aufenthaltsstatus nicht möglich. Zusätzlich müssen sie selbst in der Lage sein für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Asylsuchende mit ungeklärtem Bleiberecht haben neuerdings die Möglichkeit sich ab dem Wintersemester 2015/2016 über das Programm „In(2)TU Berlin“ und einem ersten Aufnahmegespräch an Lehrveranstaltungen der TU Berlin teilzunehmen und sich aktiv einzubringen. Leider ermöglicht es das Programm nicht ein reguläres Studium für Flüchtlinge aufzunehmen.

• In Niedersachsen steht Asylbewerbern auch ohne Zeugnis die Aufnahme eines Hochschulstudiums offen, insofern sie gute Deutschkenntnisse vorweisen können und eine Aufnahmeprüfung am Studienkolleg mit sehr guten Ergebnissen absolvieren.

• In Nordrhein-Westfalen wird Flüchtlingen die Option der Gasthörerschaft angeboten, anders als üblich sogar kostenfrei. Auch in bestimmten Städten anderer Bundesländer wie Greifswald, Bremen, Nürnberg oder Lüneburg steht diese Variante den Flüchtlingen offen.

• In München können Flüchtlinge an der Ludwig-Maximilian Universität ähnlich wie Austauschstudenten an einem speziellen Programm teilnehmen, welches für die Hinführung zu einem Studium dient. Sie können so für maximal ein Jahr eingeschrieben sein und ECTS-Punkte erwerben. Diese lassen sich bei erfolgreicher Teilnahme am Programm anschließend als Leistungsnachweise für ein reguläres Studium anrechnen.

• An manchen Unis ist auch eine Art Schnupperstudium möglich.

Hindernisse auf dem Weg zum Studium


Der Status der Asylbewerber ist jedoch immer ein entscheidendes Kriterium für die Aufnahme eines Studiums. Einerseits muss die Finanzierung des Hochschulstudiums gewährleistet sein. BAföG können aber nur diejenigen beantragen, die eine Aufenthaltsgenehmigung vorweisen können oder geduldet sind. Nach einer aktuellen Regelung durch das Bundeskabinett im August 2015 muss nun glücklicherweise nicht mehr die Vierjahresfrist abgewartet werden, sondern es ist Geduldeten und Aufenthaltsberechtigten bereits nach 15 Monaten gestattet BAföG zu beantragen. Asylbewerbern hingegen profitieren davon nicht.

Problematischer sind dagegen die fehlenden Sprachkenntnisse zu sehen. Staatlich geförderte Integrationskurse bleiben Asylbewerbern mit begrenztem oder unklarem Aufenthaltsstatus vorenthalten. Sie können grundlegende Deutschkenntnisse nur in Erstorientierungskursen erhalten. Diese reichen jedoch nicht für ein Studium eines Asylanten aus.

Selbst wenn die Sprachkenntnisse hinreichend wären, so ist die Chance in der Nähe einer Hochschule unterzukommen recht gering. Die Flüchtlinge werden je nach Kapazität vor allem auch auf Dörfer verteilt. Die Wege und die damit entstehenden Fahrtkosten zur nächstgelegenen Stadt sind damit ebenfalls äußerst hinderlich.

Eine einheitliche Regelung für alle deutschen Hochschulen würde einiges vereinfachen. Insbesondere im Hinblick auf das ohnehin schon einigermaßen unübersichtliche Hochschulsystem, würde es gerade für diejenigen, die sich kaum oder wenig in unserem Land auskennen, eine große Erleichterung bieten.

Bildquelle: Vielen Dank an cello5 für das Bild (© cello5 / pixabay.com).
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Kommentare

Userbild von Uniturm-Team
13. Oktober 2015 · 12:51 Uhr
uniturm-team
Das Orientalische Institut der Universität Leipzig stellt ab sofort ein kostenloses Online Sprechbuch zur Verfügung, welches die Kommunikation von und mit Flüchtlingen auch ohne Dolmetscher in Arabisch, Persisch, Kurdisch und Deutsch ermöglichen wird. Gesprächssituationen wie sie bei Behörden, in Schulen oder beim Arzt auftreten, können abgerufen und als Audio abgespielt werden.

Ganz in der Nähe, an der Uni Halle, etabliert sich unterdessen ein Tandem-Projekt. Insgesamt haben sich hier 28 Flüchtlinge als Gasthörer für das WS 2015/2016 eingeschrieben. Weit mehr als 100 Studierende werden sie fortan bei der Organisation ihres Unialltags unterstützen.



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21. September 2015 · 09:33 Uhr
uniturm-team
Die deutschen Universitäten arbeiten weiter intensiv daran interessierte Flüchtlinge in den akademischen Alltag zu integrieren. An der Uni Bremen können Flüchtlinge im Rahmen des "In-Touch"-Programms als Gasthörer an englischsprachigen Vorlesungen und Seminaren teilnehmen. Ihr Aufenthaltsstatus sowie ihre bisherig erworbenen Bildungsabschlüsse spielen für die Gasthörerschaft eine untergeordnete Rolle.

Die TU Berlin schließt sich mit dem Programm "In(2)TU Berlin" dieser Idee an. Auch an der Humboldt Uni Berlin haben Flüchtlinge die Möglichkeit als Gasthörer an Lehrveranstaltungen teilzunehmen.

Zwar ermöglicht der Gasthörerstatus nur das Erwerben eines Zertifikats, doch dem Wiedereinstieg in ein Studium ist damit erstmal der Weg geebnet. Flüchtlinge lernen so den deutschen Studienalltag kennen und können zudem Kontakte zu anderen Studierenden knüpfen.
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