Studieren mit Behinderung - wo und wie kann ich studieren?

Studieren mit Behinderung - wo und wie kann ich studieren?
Es gibt mittlerweile mehr als 520 Hochschulen in Deutschland und nicht alle sind in punkto Barrierefreiheit gleich ausgestattet. Manche Universitäten bieten gute Voraussetzungen für ein barrierefreies Studium, bei anderen Hochschulen und bei bestimmten Studiengängen ist es Menschen mit Behinderung noch nicht oder nur schwer möglich, zu studieren.

Studieren mit Behinderung – wo ist ein barrierefreies Studium möglich?


Fakt ist: Studierende mit Behinderung haben es schwerer im Studienalltag, denn die Barrierefreiheit ist bei vielen Universitäten noch nicht angekommen. Dabei spielt es keine Rolle, um welche Einschränkungen es sich handelt, ob in der Mobilität, beim Sehen oder Hören. Menschen mit chronischen Erkrankungen und Beeinträchtigungen trauen sich oft nicht zu, zu studieren, sie brauchen länger mit dem Studium oder tendieren zum Studienabbruch.

Um dem vorzubeugen und ideale Studienvoraussetzungen zu schaffen, gilt es vorab abzuklären, inwieweit die gewünschte Hochschule auf die eigene Einschränkung eingestellt ist. Studierende mit Behinderung finden hier ein Verzeichnis der barrierefreien Universitäten. Beratungen diesbezüglich können sich Studierende beispielsweise beim Studentenwerk holen. So hat das Deutsche Studentenwerk ein Handbuch zum Thema „Studium und Behinderung“ herausgegeben.

„Am 1. Mai 2002 trat das Gesetz zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (BGG) in Kraft. Mit ihm wurde dem Benachteiligungsverbot ("Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Artikel 3 Absatz 3 Satz 2 Grundgesetz) für Menschen mit Behinderungen Geltung verschafft.“ Quelle: www.behindertenbeauftragter.de


Studieren mit Behinderung

Welche Lösungsansätze gibt es für mehr Barrierefreiheit an Universitäten?


Folgendes sollte eine Hochschule anbieten, um ein Studieren mit Behinderung zu fördern:

• Informations- und Beratungsangebote
• Speziell ausgestattete Arbeitsplätze
• Technische Hilfsmittel
• Begleitangebote
• Ruheräume und Nachteilsausgleich
• Barrierefreie bauliche Grundausstattung


Hierzu zählen eine barrierefreie bauliche Grundausstattung in Form von bereitgestellten Behindertenparkplätzen, der Verfügbarkeit behindertengerechten Sanitäranlagen sowie die barrierefreie Erreichbarkeit der Räumlichkeiten.

Nicht in jeder Hochschule sind Fahrstühle realisierbar. Hier gilt es zu prüfen, ob Plattformlift-Lösungen für Universitäten im Einzelfall eine Alternative zum Fahrstuhl sind. Sie ermöglichen es Personen, die kurzzeitig oder langfristig auf einen Rollstuhl angewiesen sind, dank der speziellen Konstruktion einzelne Stufen, Absätze, Treppenabschnitte oder ganze Etagen im Innen- sowie Außenbereich sicher und gleichzeitig komfortabel zu überbrücken. Die Platz- und Kostenersparnis ist ein eindeutiger Pluspunkt des Plattformliftes im Vergleich zu Rollstuhlrampen und Fahrstühlen.

Digitale Barrierefreiheit beim Studium


Für Universitäten sind auch die digitalen Möglichkeiten, das Studium barrierefrei zu gestalten, nicht zu vernachlässigen. Erkundige dich vorab, z.B. beim Studentenwerk, inwieweit die gewünschte Universität auch digital barrierefrei präsent ist. Hier ein Infovideo zum Thema digitale Barrierefreiheit:



Studieren mit Behinderung - so kannst du dich für ein Studium bewerben


Starre Prüfungsordnungen und Barrieren in der Hochschule erschweren den Unialltag für Studenten mit Behinderung. Wir informieren dich rund um das Thema „Studieren mit Behinderung“ und erklären, welche Anträge du stellen kannst, um die Nachteile beim Studium mit Behinderung auszugleichen.

Studienplatzvergabe: Bei Hochschulstart.de kannst du Sonderanträge stellen


Über das Bewerbungsportal hochschulstart.de kannst du dich für bundesweit zulassungsbeschränkte Studiengänge (wie Medizin und Pharmazie) und für einige Studiengänge, die örtlich zulassungsbeschränkt sind, bewerben. Für die Vergabe der Studienplätze sind in erster Linie deine Abiturnote und die Wartesemester, die du auf dem Buckel hast, entscheidend. Bewerber mit Behinderung können allerdings verschiedene Sonderanträge stellen, im Folgenden näher ausgeführt:

• Härtefallantrag
• Nachteilsausgleich Verbesserung der Durchschnittsnote
• Nachteilsausgleich Wartezeit
• Ortsantrag


Studieren mit Behinderung: Der Härtefallantrag (Sonderantrag D)


Hochschulstart.de sichert bis zu 2% der Studienplätze für die Fälle außergewöhnlicher Härte. Wird dein Härtefallantrag bewilligt, wirst du ohne Beachtung der übrigen Auswahlkriterien (Abiturnote etc.) zum Studium zugelassen.

Allerdings rechtfertigt nicht jede Behinderung gleich einen Härtefall. So reicht eine Schwerbehinderung allein in der Regel nicht aus, um eine sofortige Zulassung mithilfe der Anerkennung als Härtefall zu erlangen. Hast du aber zum Beispiel eine körperliche Behinderung, die jeder anderen zumutbaren Tätigkeit bis zur Zuweisung eines Studienplatzes im Wege steht, wird dein Härtefallantrag in der Regel bewilligt.

Der Antrag auf Nachteilsausgleich (Verbesserung der Durchschnittsnote: Sonderantrag E)


Der Antrag auf Nachteilsausgleich zur Verbesserung der Durchschnittsnote kann gestellt werden, wenn persönliche Gründe vorliegen, die sich nachteilig auf deinen Abidurchschnitt ausgewirkt haben. Darunter fällt grundsätzlich auch eine Behinderung.

Allerdings muss nachgewiesen werden, dass sich die Umstände tatsächlich negativ auf die Durchschnittsnote ausgewirkt haben. Zum Nachweis der Leistungsverschlechterung müssen deswegen beglaubigte Schulzeugnis Kopien und ein detailliertes Gutachten der Schule dem Antrag beigelegt werden.

Nachteilsausgleich für Studierende mit Behinderung

Der Antrag auf Nachteilsausgleich (Wartezeit: Sonderantrag F)


Wenn du das Abitur aufgrund deiner Behinderung später machst als du es ohne Behinderung hättest machen können, kommt für dich ein Antrag auf Nachteilsausgleich für die Wartezeit in Frage.

Wenn du insgesamt 6 Wartesemester hast, aber nachweisen kannst, dass du ein Schuljahr behinderungsbedingt wiederholen musstest, werden dir zwei Wartesemester zusätzlich bewilligt. Du hast dann 8 Wartesemester in der Tasche und damit bessere Chancen auf einen Studienplatz, so zum Beispiel auch bei Wartesemestern für ein Medizinstudium.

Der Ortsantrag A (Antrag auf bevorzugte Berücksichtigung des ersten Studienortwunsches)


In dem Ortsantrag kannst du Umstände geltend machen, die dich an einen bestimmten Studienort binden. Das können auch gesundheitliche Gründe sein, sofern noch keine Schwerbehinderung vorliegt.

Die zwingende Bindung an den jeweiligen Ort muss mit einem fachärztlichen Gutachten begründet werden, aus dem sich ergibt, dass die notwendige ärztliche Behandlung nur am gewünschten Studienort möglich ist. Der Ortsantrag wird nur noch im Rahmen der Wartezeitquote und der Abiturbesten-Quote berücksichtigt. Er spielt keine Rolle im Auswahlverfahren der Hochschulen.

Wichtig: Die Sonderanträge müssen zusammen mit dem Antrag auf Vergabe eines Studienplatzes bis zum Ablauf der Bewerbungsfrist eingereicht werden. Jedem Antrag sind die entsprechenden Belege (im Original oder beglaubigter Kopie) beizufügen. Bescheinigungen von Stellen, die zur Führung eines Dienstsiegels amtlich ermächtigt sind, müssen mit einem Dienstsiegelabdruck versehen sein.


Studieren mit Behinderung - Finanzierung


Wer unter einer chronischen Erkrankung leidet oder eine Behinderung hat, benötigt für sein Studium in der Regel mehr Zeit. Dieser größere Zeitaufwand ist mit höheren finanziellen Belastungen verbunden. Wir haben dir zusammen gestellt, welche Sonderregelungen es im BAföG Gesetz für Studierende mit Behinderung gibt und welche Extra Finanzierungsmöglichkeiten dir zur Verfügung stehen.

BAföG: Sonderregelungen beim Studieren mit Behinderung


Keine Berücksichtigung der Behinderung beim Bedarf
Eine Behinderung wird beim BAföG-Bedarf leider nicht berücksichtigt. Der Bedarf von Studenten mit Behinderung wird also genauso hoch veranschlagt wie von allen anderen Studenten. Es können deshalb keine zusätzlichen Gelder für teurere Lehrmittel bewilligt werden, die in der Regel aber bei einem Studium mit Behinderung nötig sind.

Unter Umständen kannst du jedoch andere staatliche Leistungen in Anspruch nehmen, die dir von deinem BAföG nicht abgezogen werden. Dazu gehört unter anderem die Eingliederungshilfe nach §54 SGB XII. Im Rahmen dieser Eingliederungshilfe kann der studienbedingte Mehrbedarf geltend gemacht werden. Die Hilfe umfasst jeglichen Assistenzbedarf, der sich aus deinem Besuch der Hochschule ergibt. Sei es eine Vorlesekraft, Blindenliteratur oder ein spezieller PC. Unabhängig vom BAföG wird auch die ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt oder für kostenaufwändige Ernährung nach §30 Abs.4 und 5 SGB XII gewährt.

Berücksichtigung einer Behinderung beim Einkommen
Bei der Ermittlung des Einkommens deiner Eltern kann die Behinderung allerdings berücksichtigt werden. Nach §25 Abs.6 BAföG kann ein Härtefreibetrag insbesondere dann gewährt werden, sofern die Eltern oder der Ehegatte zur Unterhaltsleistung an eine behinderte Person verpflichtet sind.

Berücksichtigung einer Behinderung beim Vermögen
Auch bei der Vermögensanrechnung kann in Ausnahmefällen ein Antrag auf Härtefreibetrag bewilligt werden. Nach §29 Abs.3 BAföG ist der Härtefreibetrag unter anderem gerechtfertigt, soweit das Vermögen zur Milderung der Folgen einer körperlichen oder seelischen Behinderung bestimmt ist.

Studieren mit Behinderung Finanzierung

Berücksichtigung einer Behinderung bei der Förderungsdauer
Eine Behinderung wird bei der Förderungsdauer in zweierlei Hinsicht berücksichtigt. Der eine Fall betrifft die Vorlage des Leistungsnachweises. Normalerweise musst du als Student zu Beginn des 5.Semesters nachweisen, dass du die üblichen Studienleistungen bis dahin erbracht hast.

Wenn du eine Behinderung hast, ist dir unter bestimmten Umständen nach §48 Abs.2 i.V.m. §15 Abs.3 Nr.5 BAföG eine spätere Vorlage des Leistungsnachweises erlaubt. Zusätzlich kann nach §15 Abs.3 Nr.5 BAföG eine Förderung über die Förderungshöchstdauer hinaus gewährt werden, wenn die Regelstudienzeit „infolge einer Behinderung“ überschritten wird.

Besonders interessant: Bei dieser Überschreitung wird die Förderung sogar als voller Zuschuss und nicht wie üblich als Zuschuss Darlehen gewährt.


Berücksichtigung einer Behinderung beim Überschreiten der Altersgrenze
Normalerweise wird BAföG nur gewährt, wenn das Grundstudium vor Vollendung des 30. Lebensjahres (bei Masterstudiengängen vor Vollendung des 35. Lebensjahres) begonnen wird. Wer sein Studium später anfängt, ist von der Förderung ausgeschlossen. Eine Behinderung kann jedoch nach § 10 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 BAföG ein Grund dafür sein, dass du trotz Überschreiten der Altersgrenze gefördert wirst. Allerdings muss die Behinderung ursächlich für die späte Aufnahme des Studiums sein.

Berücksichtigung einer Behinderung beim Fachrichtungswechsel
Tritt die Behinderung erst im Laufe der Ausbildung ein (etwa nach einem Unfall), so stellt sie gegebenenfalls einen „unabweisbaren Grund“ nach § 7 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BAföG für einen Studiengangwechsel dar. Dieser „unabweisbare Grund“ kann in jedem Semester geltend gemacht werden. Das ist ein wichtiger Unterschied zum sogenannten „wichtigen Grund“, der nur innerhalb der ersten 3 Semester hervor gebracht werden kann.

Unabhängig von der Behinderung kannst du unter bestimmten Voraussetzungen nach Ablauf der Förderungshöchstdauer Hilfe zum Studienabschluss beantragen und so dein Studium ohne finanzielle Schwierigkeiten erfolgreich beenden. Die Studienabschlusshilfe nach §15 Abs.3a BAföG wird allerdings als normales Darlehen gewährt.

Stipendien für Studenten mit Behinderung


Eine enorme finanzielle Erleichterung des Studiums ist ein Stipendium. Neben den üblichen Stipendien gibt es eine Reihe von Stiftungen und Organisationen, die speziell Stipendien an Menschen mit Behinderung vergeben. Hier eine Auswahl an Stipendien fürs Studieren mit Behinderung:

• Anni und Keyvan Dahesch Stiftung
• Dr. Willy Rebelein Stiftung
• Google Europe Scholarship for Students with Disabilites
• Paul und Charlotte Kniese Stiftung
• Karl und Charlotte Spohn Stiftung


barrierefrei studieren

Nachteilsausgleiche beim Studieren mit Behinderung


Nachteilsausgleiche kompensieren die Benachteiligungen, die du als Student mit Behinderung im Studium erfährst. Studien- und Prüfungsordnungen sind meist starr festgelegt und grundsätzlich nicht behindertengerecht, ebenso die Rechte und Pflichten im Studium.

Anwesenheitspflicht, schriftliche Prüfung, Auslandsaufenthalte – all dies sind Vorgaben, die nicht jeder ohne Weiteres erfüllen kann. Also müssen die Studien- und Prüfungsbedingungen manchmal individuell auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten des behinderten Studenten angepasst werden. Hierzu sind individuelle Nachteilsausgleiche erforderlich.

Die Maßnahmen zum Nachteilsausgleich sind von Student zu Student verschieden. Ein solcher Ausgleich kann zum Beispiel eine Verlängerung der Abschlussfristen sein oder eine Modifikation von Anwesenheitspflichten. In Bezug auf Klausuren können weiterhin Nachteile ausgeglichen werden, indem etwa Assistenzen zur Prüfung zugelassen werden oder die Schreibzeit verlängert wird. Möglich ist auch, eine schriftliche Prüfung in eine mündliche umzuwandeln und umgekehrt.

Wichtig: Der Antrag auf Nachteilsausgleich ist frühzeitig beim zuständigen Prüfungsausschuss bzw. Prüfungsamt zu stellen. In der Regel muss mindestens ein ärztliches Attest vorgelegt werden, gegebenenfalls auch weitere Dokumente, zum Beispiel Behandlungsberichte von Krankenhausaufenthalten.


Warum Barrierefreiheit jeden etwas angeht


Barrierefreiheit nutzt Menschen mit und ohne Behinderung, Senioren, Kindern, Eltern und Menschen, die nur vorübergehend in ihrer Mobilität eingeschränkt sind.

Barrierefreiheit geht Menschen ohne Behinderung auch deswegen an, weil sie irgendwann womöglich selbst auf gut zugängliche Gebäude, leicht verständliche Sprache oder die Kommunikation über Computer angewiesen sind. Denn Tatsache ist, nur vier Prozent aller Behinderungen sind angeboren. In den allermeisten Fällen löst eine Krankheit die Beeinträchtigung aus, aber auch Unfälle können eine Ursache sein.

Ein Grund mehr, sich für ein Leben ohne Barrieren und ein vereinfachtes Studieren mit Behinderung stark zu machen.

Bildquellen: Vielen Dank an falco, renma, niekverlaan, Krissie ©pixabay.de und marcus aurelius ©pexels.de

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