Der Numerus Clausus: notwendiges Übel

Der Numerus Clausus: notwendiges Übel
Wenn man sein Abi mit 1,4 besteht, dann ist das eigentlich ein hervorragender Abschluss. Will man dann aber Medizin studieren, ist er plötzlich nicht mehr hervorragend genug. Wer hier nicht die glatte 1,0 schafft, muss sich – je nach Größe des Jahrgangs – auf Wartesemester einstellen. Medizin ist natürlich ein Extrembeispiel, steht aber stellvertretend für tausende Studieninteressierte, die sich mit dem Übel Uni Zulassungsbeschränkungen auseinander setzen müssen.

Was ist der Numerus Clausus (NC)?


Der Begriff Numerus Clausus (NC) kommt aus dem Lateinischen. „Numerus“ heißt „Zahl“ oder „Anzahl“, „clausus“ steht für „geschlossen“. Er steht aber nicht für euren Notendurchschnitt, sondern begrenzt die Zulassung nach den Noten der Bewerber.

Grob erklärt, funktioniert das Prinzip so: Eine Hochschule bietet den Studiengang Elektrotechnik an und stellt 100 Plätze für frische Erstsemester zur Verfügung. Die Anzahl ist zum Beispiel abhängig von der Größe der Fakultät und des Lehrapparats. Nun bewerben sich 250 Abiturienten auf diese 100 Plätze, d.h. die Hochschule muss eine Auswahl treffen. Ein gewisser Anteil (je nach Hochschule unterschiedlich) wird nach den Abiturnoten vergeben. Die besten bekommen die Studienplätze. Daraus ergibt sich ein Notendurchschnitt, der NC-Wert.

Es gibt aber Gott sei Dank noch andere Möglichkeiten, den Studienplatz zu ergattern, dazu später mehr.

Wofür braucht man einen Numerus Clausus (NC)?


Seit 2005 steigt die Zahl der Studienanfänger nicht nur kontinuierlich, sondern auch stark an. Und noch mehr Interessierte müssen warten, weil der Numerus Clausus (NC) zu hoch ist. Dieser wurde von den Hochschulen als Reaktion auf den enormen Ansturm auf die Studienplätze vieler Fächer eingeführt.

Wer legt den NC fest?


Es gibt zwei Arten von Zulassungsbeschränkungen, örtliche und bundesweite. Der örtliche NC wird von den jeweiligen Hochschulen festgelegt.

Für einige Fächer gibt es zudem einen bundesweiten Numerus Clausus, etwa Medizin, Zahnmedizin oder Pharmazie, der über hochschulkompass.de geregelt wird. Bei der Bewerbung gebt ihr einige Wunschstudienorte an, die Vergabe läuft dann komplett über hochschulkompass.

Der örtliche NC wird hingegen jedes Jahr je nach Andrang auf den jeweiligen Studiengang von der Hochschule gemäß der verfügbaren Studienplätze neu festgelegt.

Die Vergabe ist simpel: zunächst bekommen alle Bewerber mit dem Abischnitt 1,0 einen Platz, dann jene mit der Note 1,1 usw. Der Vorgang läuft solange, bis der Studiengang voll ist. Der NC ergibt sich demnach aus der Abinote des zuletzt zugelassenen Bewerbers.

Das Hochschulsystem wird dafür gern kritisiert, aber praktikable Alternativen konnte bisher niemand bieten. Die Hörsäle sind ohnehin überfüllt, die Lehre verkommt zur Massenveranstaltung. Irgendwie muss man die Zahl der Studierenden begrenzen. Oder nicht?

TIPP: Um zu ermitteln, wo der Numerus Clausus in der Vergangenheit für deinen Wunschstudiengang durchschnittlich lag, kannst du unseren kostenlosen Numerus Clausus Rechner nutzen!

„Grundrecht auf Bildung“


41,5% aller Studiengänge in Deutschland sind mit einem NC belegt. Bei Fachhochschulen ist der Anteil mit 45,8% höher als an Universitäten (40,1%).

Vor allem die Großstädte mit den beliebtesten Hochschulen sieben am meisten aus.

Der Osten Deutschlands ist noch weitgehend „barrierefrei“: In Thüringen etwa sind es nur 26,2% zulassungsbeschränkte Studiengänge. Alle Zahlen zur aktuellen Numerus-Clausus-Situation in Deutschland finden sich im „CHE-Numerus-Clausus-Check 2016/17“ des Centrums für Hochschulentwicklung.

CHE-Geschäftsführer Frank Ziegele erläutert: „Die großen Unterschiede zwischen den Ländern müssen transparent gemacht werden. Zum einen im Rahmen der hochschulpolitischen Diskussion über die Auswirkungen steigender Studierendenzahlen, zum anderen für diejenigen, die ein NC in erster Linie betrifft – die Studieninteressierten.“

Der Numerus Clausus schließt bestimmte Menschen vom Studium aus bzw. erschwert erheblich den Zugang. Die TU Berlin will den NC nun komplett streichen und damit das „Grundrecht auf Bildung“ unterstreichen. Das dürfte allerdings eher Probleme bereiten als das es als Pilotprojekt Schule macht. In Zeiten, in denen Studieren noch eine „Elite“-Veranstaltung war, in denen ungleich mehr junge Menschen eine Ausbildung oder Lehre absolvierten als über Luhmann und Kant zu brüten, brauchte man keine Beschränkungen. Heute ist Studieren zum Volkssport geworden, mehr Menschen als jemals zuvor kämpfen sich durch den Turbo-Bachelor.

Der Osten profitiert vom Numerus Clausus


Die Kapazitäten, ohne Beschränkungen alle in allen Studiengängen aufzunehmen, sind schlicht und einfach nicht da und ließen sich selbst durch schnöde Finanzspritzen, wie vielfach gefordert, nicht lösen.

Jeder kennt heutzutage schon Seminare mit 40 Teilnehmern, die schwerlich als Seminare auszumachen sind und eher Vorlesungen ähneln. Jeder will studieren, aber wer will auf der Treppe sitzen oder im Eingang stehen, um an der Vorlesung teilzunehmen? Wer will 15-minütige Referate in Sechsergruppen halten, damit auch ja jeder seine Prüfungsvorleistung schafft? Und welches unterbesetzte Institut will am Semesterende 500 Klausuren kontrollieren und 350 Hausarbeiten durcharbeiten? Welcher Professor kann sich um 50 Bachelorarbeiten pro Jahrgang kümmern?

Die Alternative könnten Eignungstests sein, die würden letztlich aber genauso unfair und willkürlich aussieben. Nein, das Hochschulsystem in Deutschland in seiner aktuellen Form ist ohne Numerus Clausus schlicht nicht praktikabel und stärkt im Übrigen das Hochschulwesen in der Breite.

Wenn in München und Hamburg nicht mehr reinzukommen ist, muss man sich Alternativen suchen. Die Hochschulstandorte in Ostdeutschland freuen sich sehr wahrscheinlich über hohe NC-Werte, denn die treiben die potenziellen Studenten nach Leipzig, Dresden und Magdeburg. Dass dort derzeit wiederum Gelder gekürzt werden und Institute geschlossen werden müssen, steht auf einem ganz anderen, äußerst diskussionswürdigen Blatt.

Wo kann ich die NC-Werte einsehen?


Die Werte für die bundesweit zulassungsbeschränkten Fächer findet ihr wiederum auf hochschulkompass.de.

Für die örtlich beschränkten NCs müsst ihr entweder auf der Website der jeweiligen Hochschule nachschauen oder ein wenig im Internet stöbern.

Vorsicht: Je nach Nachfrage ändern sich die Werte in jedem Semester, schaut also immer mal wieder nach, wie es aussieht.

Kann ich meinen NC verbessern?
Dass man seine Abiturnote durch Umwege verbessern kann, ist ein weit verbreiteter Irrglaube. Viele denken, dass Wartesemester den NC „reduzieren“, das stimmt aber nicht.

Richtig ist: Wartesemester erhöhen die Chance, ins Studium reinzukommen, aber nicht, weil sie den „NC verbessern“.

Studienplätze werden nach mehreren Kriterien vergeben. Nehmen wir noch einmal unser Elektrotechnikbeispiel: Von den 100 zur Verfügung stehenden Studienplätzen werden 60% nach dem NC vergeben, 30% nach Wartesemestern und die restlichen 10% nach anderen Kriterien, etwa Eignungsprüfungen oder mehrjähriger Berufserfahrung.

Wartesemester haben mit dem NC direkt also nichts zu tun, wohl aber mit der Studienplatzvergabe. Je mehr Wartesemester ihr habt, desto höher sind eure Chancen, unabhängig von eurer Abiturnote.

Wartesemester sind übrigens sehr leicht zu sammeln: Jedes Semester, in dem ihr nicht studiert, ist ein Wartesemester, egal ob ihr ein Jahr im Ausland verbringt, eine Ausbildung absolviert oder einen Beruf ausübt.

Fazit: Die Abiturnote ist das wichtigste, aber nicht das einzige Kriterium der Studienplatzvergabe. Wer kein Einser-Abi in der Tasche hat, kann trotzdem Medizin studieren. Er muss sich aber auf Wartezeit einstellen.

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Bildquelle: Vielen Dank an Melanie Jedryas für das Bild (© Melanie Jedryas / pixelio.de).
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